Michael Maar: ... ohne das eigene Ich entdecken zu wollen
Roman Bucheli fragt den beliebten Autor Michael Maar: ob er sich in den von ihm geschriebenen Büchern wiederfindet:
"Das ist ein Klischee. Und wie bei jedem Klischee hat es einen Kern Wahrheit. Natürlich liest jeder sich selbst, weil jeder so liest, wie nur er oder sie eben liest. Das läßt sich nicht trennen. Aber mir sind die egozentrischen Leser unsympathisch, die nur alles darauf abtasten, ob es ihre eigene Sphäre betrifft. Es geht doch um Empathie und also genau darum, einmal von seinem kleinen Ich abzusehen und sich in andere Figuren einzufühlen, mit denen man sonst gar nichts zu tun hat, die einem auch ganz fremd sein können. Das ist je eine der Sinnschichten der Literatur, Interesse zu wecken für das Fremde."
aus: "Mit Virginia Woolf oder Thomas Mann hätte ich keinen Abend verbringen wollen" von Roman Bucheli - Neue Zürcher Zeitung 23.10.2025