Per Petterson: Schreiben in Cafés
Schriftsteller schreiben nicht nur zuhause, sie schreiben eigentlich überall. Aber natürlich schreiben sie auch in Cafés. In diesem Roman über einen Schriftsteller in einer familiären Krise, die Per Petterson großartig beschreibt, fährt der blockierte Schriftsteller zwei Stunden über die norwegische Grenze, um in einer schwedischen Konditorei an einem ganz speziellen Tisch zu schreiben:
"Manchmal versuchte ich, an dem schwedischen, mehr als vierzig Jahre alten Tisch im ersten Stock der City Konditorei, oben in der Storgatan zu schreiben, mit Bleistift, meistens auf gefaltete DIN-A4-Blätter, die dadurch wohl zu DIN-A-5-Blättern wurden, und nicht in Notizbücher, die problematischer waren, auf zerstörerische Weise verbindlicher. Und es fühlte sich ja auch leicht romantisch an, klassisch schriftstellerisch, so in einem Café zu sitzen und mit dem Bleistift zu schreiben, in einem anderen Land, wie Hemingway in Paris in den Zwanzigern, und den Bleistift anzuspitzen und die Bleistiftpelle auf den Teller fallen zu lassen, wie er es getan hatte, und sie auf die Serviette mit der Aufschrift "City Konditorei" in grüner Schrift mit schwungvollen Buchstaben in der einen Ecke fallen zu lassen, aber mit der Zeit spürte ich meinen eigenen skeptischen Blick im Nacken, weshalb selten etwas dabei herauskam. Ich sollte mich ans Lesen halten."
aus: Per Petterson "Männer in meiner Lage", Carl Hanser Verlag, 2019 - Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberg