Jan Weiler: Romanschreiben ohne Notizen
"Wenn ich mir Notizen mache und ich schaue sie mir später an, kann ich den Zusammenhang nicht mehr herstellen. Dadurch, dass ich es aufgeschrieben habe, wurde er im Kopf gelöscht und steht völlig bezuglos auf dem Papier. Und wenn es eine gute Pointe ist, langweilt sie mich beim Lesen, weil ich sie schon kenne. Und dann habe ich keine Lust, etwas, das ich schon mal aufgeschrieben habe, noch mal zu schreiben. Das bedeutet, dass alles, was ich brauchen kann, im Kopf bleibt und was ich vergesse, ist halt verloren.
Es sieht für Monate so aus, als würde ich nicht arbeiten, weil ich am Fenster stehe, essen gehe oder im Fußballstadion sitze, aber ich denke die ganze Zeit nach. Alles muss überlegt werden, die Proportionen, das, was Drehbuchautoren säen und ernten nennen, vorne etwas platzieren, das dann später aufgeht. Ich könnte nicht ertragen, auf Seite 94 festzustellen, dass es nicht funktioniert. Den Text neu anzufangen, wäre für mich katastrophal. Wenn ich es einmal geschrieben habe, schreibe ich es nicht noch mal. Das ist dann weg."
aus: "Pumpgun gegen Samenstau" von Meike Dannenberg - BÜCHERmagazin 1/2020