Arno Geiger über Ehrlichkeit in der Autobiographie

"Eine Autobiographie hat nicht zurückhaltend zu sein. Je aufrichtiger, desto besser. Je mehr rundheraus, desto weniger abgerundet. Es ist gut, finde ich, wenn man sich beim Schreiben gehen läßt und sich dabei selbst kennenlernt. Das ist erhellend, mitunter desillusionierend. Es könnte schlimmeres passieren als eine Desillusionierung. Alles, was das Bewusstsein in Richtung Realismus schärft, ist bei mir positiv besetzt. (...) Indem ich mich preisgebe, schaffe ich die Voraussetzungen dafür, dass ich frei sein kann, mich entfalten, Erfahrungen machen kann. ... Und dass ich im Erzählen über mich möglicherweise selbst zu einer durchlässigen Stelle werde, durch die man hinunterlangen kann."

aus: "Wirklich frei sind wir, wenn wir erzählen" von Arno Geiger - Frankfurter Allgemeine Zeitung 7.10.2023